Pferdezahnmedizin

Routinekontrolle und Zahnsanierung

Grundsätzlich sollten bei jedem Pferd einmal jährlich die Zähne untersucht und bei Bedarf korrigiert werden. Wieso ist das so? Das Gebiss eines Pferdes befindet sich im Gegensatz zum menschlichen Gebiss, oder dem Gebiss von z.B. Hunden, stets im Wandel. Bis zu einem Alter von ca. 6 Monaten brechen die Milchzähne durch, und bis zu einem Alter von ca. 4,5 Jahren findet der Zahnwechsel auf die bleibenden Zähne statt. Zwischen 2,5 und 4,5 Jahren lösen sich die Milchzähne, deren Reste als "Kappen" auf den bleibenden Zähnen sitzen. Beim Prozess des Ablösens dieser Kappen können deren spitze Kanten das Pferd stark stören.

Das Pferdegebiss und moderne Pferdehaltung

Durch die faserreiche Ernährung des Pferdes werden die Zähne kontinuierlich abgerieben und im Laufe des Pferdelebens weiter und weiter aus dem Kieferknochen richtung Maulhöhle geschoben. Idealerweise entspricht der Abrieb der Zähne genau der herausgeschobenen Zahnsubstanz. Pferde in der modernen Haltung verbringen weniger Zeit pro Tag mit dem Fressen, haben dabei oft eine andere Kopf-Hals-Haltung und bekommen zudem oft faserärmeres Futter. Dies wirkt sich auf den Mahlvorgang der Kiefer und Zähne aus und es kommt zu unregelmäßigem Abrieb der Zähne. Die Schneidezähne werden in moderner Pferdehaltung häufig nicht in großem Ausmaß zum Abrupfen des Futters verwendet, was zu weiteren Imbalancen in Wachstum und Abrieb führt.

Folgen unregelmäßigen Zahnabriebs

Die Schneidezähne werden bei vielen Pferden zu lang, was dazu führt, dass die Pferde große Kaubewegungen machen könne, damit die Backenzähne beim Kauen aufeinandertreffen und Futter mahlen können. Bei den Backenzähnen bilden sich scharfe Spitzen richtung Backen und Zunge an charakeristischen Stellen. Viele Gebisse haben zudem eine wellenförmige Kaufläche mit stärker und weniger stark abgeschliffenen Zähnen, was zum einen die Kieferbeweglichkeit (auch beim Reiten) einschränkt und zum anderen zum vorzeitigen Verlust derjenigen Zähne führt, die stärker abgeschliffen sind. Wird dem frühzeitig durch eine Korrektur entgegengewirkt bleibt das Gebiss bestmöglich funktionell und die Zähne können bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Pferde lassen sich die Probleme beim Kauen und Schmerzen durch die scharfen Spitzen oft nicht anmerken, da die Nahrungsaufnahme für sie natürlich überlebenswichtig ist. Dennoch haben viele Pferde durch die Zahnspitzen bereits Verletzungen in den Maulschleimhauten und können das Futter weniger effektiv zerkleinern. Nicht ausreichend zerkleinertes Futter kann im Darm das Risiko einer Verstopfungskolik erhöhen!

Parodontitis

Unabhängig von Haltung und Fütterung haben alle Pferdegebisse eine Gemeinsamkeit: Die Zähne, die sich zu Beginn des Pferdelebens großteils im Kieferknochen befinden, und im Laufe des Lebens herausgeschoben werden, haben in den tieferen Abschnitten einen kleinerem Durchmesser als in den oberen Abschnitten. Beim älteren Pferd sind die Zähne in der Maulhöhle deshalb schmäler und Lücken können zwischen den Zähnen entstehen. Dort klemmt sich oft Futter hinein, welches sich weiter zwischen Zahn und Maulschleimhaut, oder sogar zwischen Zahn und Knochen hineinarbeiten kann. Wird nichts unternommen bildet sich eine Infektion, der Zahn wird locker und schmerzt. Je nach Stadium der Erkrankung müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um den Zahn zu erhalten und das Pferd von den Schmerzen zu befreien. Schlimmstenfalls kann sich eine Infektion den Kiefers mit chronischer Fistel bilden, oder die Infektion in die Nasennebenhöhlen fortschreiten - diese Fälle erfordern eine langwierige und aufwändige Therapie und schränken die Lebensqualität der Pferde stark ein. Mit der richtigen Vorsorge können diese Probleme früh adressiert und diese schweren Komplikationen vermieden werden.

Wie läuft eine Routineuntersuchung mit Zahnsanierung ab?


Wir besprechen im Voraus die Fütterung und das Fressverhalten des Pferdes, sowie die verwendete Zäumung beim Reiten. Bei Bedarf sehe ich mir Kauverhalten und Reaktion auf die Trense an.
Nach einer allgemeinen Untersuchung wird das Pferd wird für die Untersuchung sediert - nur so ist eine vollständige Untersuchung und Korrektur möglich!
Der gesamte Kopf inklusive Kaumuskulatur, Kiefergelenken und Lymphknoten wird äußerlich untersucht. Nach einer Maulspülung mit Wasser erfolgt eine Voruntersuchung der Schneidezähne, Kiefergelenke und der Schluss der Backenzähne wird getestet. Dann wird das Maul mit einem Maulgatter geöffnet.
Die Maulhöhle wird gründlich untersucht, begonnen bei Zunge, Laden und Backen, sowie mit einem Gesamtüberblick über das Gebiss. Mit der Hand werden die Zähne zusätzlich abgetastet und auf lockere Zähne geprüft. Dann werden alle Zähne von allen Seiten mit dem Spiegel betrachtet. Je nach Situation werden die Zähne und Zwischenräume gereinigt und anschließend die Zähne mit einer morotisierten Schleifmaschine korrigiert. Bei manchen Pferden ist nur wenig Korrektur nötig und die Korrektur ist schnell erledigt, während bei anderen größere und zeitaufwändige Korrekturen nötig sind.
Auch die Schneidezähne werden - je nach Situation - vor oder nach der Backenzahnkorrektur angepasst.

Ziele der Zahnkorrektur

Wichtig ist die Herstellung einer optimalen Funktion und Kieferbeweglichkeit, der möglichst lange Erhalt aller Zähne, sowie die Herstellung einer Balance in der Kräfteverteilung zwischen Kiefergelenken, Backen- und Schneidezähnen. Es wird so wenig wie möglich Zahnsubstanz entfernt, jedoch so viel wie nötig. Werden Probleme wie z.B. eine beginnende Parodontitis erkannt kann meist in der gleichen Sitzung eine Behandlung stattfinden.

Zahnextraktionen

Entfernung von Milchzahnkappen

Bei jungen Pferden wird oftmals im Zahnwechsel zwischen 2,5 und 4,5 Jahren nachgeholfen, indem bereits lockere und störende Zahnkappen (= Reste der Milchzähne) entfernt werden. Hierfür ist meist keine Betäubung nötig, die Kappen können unkompliziert mit einer Zange während der Routineuntersuchung entfernt werden.

Extraktion von Wolfszähnen

Auch Wolfszähne werden meist entfernt. Dies sind kleine Zähne, die vor den vordersten Backenzähnen vorkommen können. Sie sind nicht bei jedem Pferd vorhanden. Sie können zum Problem werden, wenn das Pferd mit Gebiss geritten wird. Gerne berate ich Sie individuell vor einer Extraktion.
Die Extraktion erfolgt unter lokaler Betäubung und ist meist innerhalb weniger Minuten erledigt.

Behandlung von EOTRH

Diese Erkrankung betrifft meist nur die Schneidezähne, kann in seltenen Fällen aber auch Hengstzähne und die vorderen Backenzähne betreffen. Symptome sind Probleme bei der Futteraufnahme, v.a. beim Abbeißen mit den Schneidezähnen (Gras zupfen, Karotten beißen). Die Zahnsubstanz wird geschwächt, Löcher entstehen, der Zahnhalteapparat wird geschädigt, Infektionen mit Fistelkanälen können auftreten, und es können Zubildungen aus Zahnzement auftreten.
Der Schweregrad wird anhand der klinischen Symptome und einer Röntgenuntersuchung bestimmt. Anhand der Befunde wird eine individuelle Entscheidung zum Erhalt oder der Extraktion jedes betroffenen Zahnes getroffen.
Für die Extraktion von Schneidezähnen wird eine Leitungsanästhesie der Nerven durchgeführt. Viele Schneidezähne können in stehender Sedierung im Stall gezogen werden. Müssen alle Schneidezähne gezogen werden oder sind Komplikationen wahrscheinlich kann ein Klinikaufenthalt für das Pferd die bessere Entscheidung sein.

Weitere Gründe für Zahnextraktionen

Infektionen des Zahnhalteapparates (Parodontitis) oder Zahnwurzelinfektions/Abszess , Zahnfrakturen mit Eröffnung/Infektion der Pulpa (Zahninneres mit Nerven und Gefäßen), missgebildete, fehlplatzierte oder überzählige Zähne, sowie Tumoren im Zahnbereich können weitere Gründe für eine Zahnextraktion sein. In vielen Fällen können die Zähne behandelt und erhalten werden, was beim Pferd immer anzustreben ist. Fehlende Zähne führen immer zu weiteren Konsequenzen für das restliche Gebiss, indem sich z.B. Zahnlücken bei benachbarten Zähnen bilden oder der gegenüberliegende Zahn nicht mehr abgeschliffen wird und zu lang wird.
Ist eine Extraktion (v.a. bei Backenzähnen) doch notwendig ist individuell zu entscheiden, ob dies im Stall, oder besser in einer Klinik durchgeführt wird.

Zahnröntgen

Mit meinem modernen Röntgengerät können von allen Zähnen Röntgenbilder im Stall angefertigt und sofort ausgewertet werden. Auch Kiefergelenksaufnahmen und Spezialprojektionen für die Nasennebenhöhlen (Sinus) sind möglich.